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Mexiko mit allen Sinnen erfahren – Veranstaltung „¡Viva México!“ ein grosser Erfolg
— Alex Gertschen für PuntoLatino, Bern 22.08.2017
Über 500 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz, 24 Marktstände, 8 Referate, 2 Modeschauen, 1 Tanz- und 1 Mariachiauftritt: In diesen Zahlen lässt sich die Veranstaltung „¡Viva México!“ zusammenfassen, die am 19. August in Bern vom Kulturverein Na Bolom.ch durchgeführt worden ist. Bern war dafür ein symbolträchtiger Ort: Die Schweizer Sozialistin Trudi Duby Blom (1901-1993), die es auf ihrer Flucht vor den Nazis nach Chiapas im Süden Mexikos verschlagen hatte, wo sie zur Anwältin von Umwelt und Indigenen wurde und dafür in San Cristóbal de las Casas die Stiftung Na Bolom gründete, hatte in Bern ihre Kindheit und Jugend verbracht. Hier also, genauer im Veranstaltungsgebäude der Paulus-Kirche, in der Unitobler (Universität Bern) sowie im wunderschönen Platanenhof, der die beiden Gebäude verbindet, hat Na Bolom.ch seine erste grosse öffentliche Veranstaltung durchgeführt. Der erst vor vier Jahren gegründete Kulturverein ist quasi der hiesige Ableger der Stiftung in Mexiko und ebenfalls der Fortführung von Duby Bloms Wirken verpflichtet.
Ivonne Meyer-Escobar, die Präsidentin von Na Bolom.ch, wertet „¡Viva México!“ als grossen Erfolg. „Wir wollten einem breiten Publikum unsere Arbeit vorstellen und auf die schönen Seiten Mexikos aufmerksam machen, die in der Medienberichterstattung, in der Kriminalität und Korruption dominieren, oft fehlen.“ Angesichts der Konkurrenz – in Bern haben am Samstag vier Grossveranstaltungen mit Zehntausenden Besuchern stattgefunden – sei dieses Ziel erreicht worden. Der finanzielle Überschuss der Veranstaltung sowie die gesammelten Spenden werden laut Meyer-Escobar in Aufforstungsprojekte in Chiapas fliessen. „Wir hoffen deutlich über 1000 Franken überweisen zu können. Das erscheint nicht als viel, doch kann man damit in Mexikos einiges bewirken. Zudem soll dies erst der Anfang gewesen sein“, sagt Meyer-Escobar.
Als gelungen hat sich insbesondere die Kombination von Markt und Produkten einerseits und dem Programm „Wirtschaft & Wissenschaft“ andererseits erwiesen. In Letzterem referierten Akademiker und Wirtschaftsvertreter zu den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen, unter denen die auf dem Markt angebotenen Waren wie Kleider, Schmuck oder Lebensmittel entstehen. Im Sinne Trudi Duby Bloms drehten sich die Referate um Fragen der
Nachhaltigkeit: Wie steht es gerade im ländlichen Mexiko um das Gleichgewicht von Gesellschaft, Wirtschaft und Natur? Welche Probleme stellen sich, und wie sind sie zu lösen?
Armin Komposch, Corinne Pernet und Alex Gertschen
Alex Gertschen, Forscher am Center for Global Studies der Universität Bern und selbständiger Lateinamerika-Berater, führte als Organisator des Programms „Wirtschaft & Wissenschaft“ in die Gegenwart Mexikos ein. Er vertrat unter anderem die Thesen, dass eine nachhaltige Entwicklung der Kreativität und des Unternehmergeistes bedürften und beides in Mexiko reichlich vorhanden sei. Hingegen werde das ebenso erforderliche gemeinsame und langfristige Handeln durch das verbreitete und verständliche Misstrauen gegenüber staatlichen und anderen Institutionen untergraben.
Armin Komposch, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Pflanzenwissenschaft der Universität Bern, stellte daraufhin die grosse und grossartige Biodiversität in Mexiko vor. Weltweit beherbergen nur drei Länder eine grössere Artenvielfalt. Dieser natürliche Reichtum bildet den Boden für die kulturelle Grösse und Vielfalt Mexikos, wie sie zum Beispiel in der Küche zum Ausdruck kommen. Auf diese ging Corinne Pernet ein, Professorin am Département d’Histoire Générale der Universität Genf. Pernet zeigte auf, wie erst ohne, dann mit Erfolg die Aufnahme der mexikanischen Gastronomie ins immaterielle Weltkulturerbe der Unesco angestrebt wurde. Und sie machte klar, dass diese Aufnahme – wie das Konzept des immateriellen Weltkulturerbes an sich – nicht voreilig und unkritisch als Schritt Richtung Nachhaltigkeit verstanden werden darf.
Alex Gertschen, Michael Schoch und Hans Jöhr
Im zweiten Teil des Programms „Wirtschaft & Wissenschaft“ wurden zwei Beispiele vorgestellt, die vom Bemühen um Nachhaltigkeit in der mexikanischen Landwirtschaft handeln – und davon, dass die Schweiz in diesem Unterfangen durchaus eine Rolle spielen kann. Michael Schoch erzählte von seinen Erfahrungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Zollikofen (HAFL, zur Berner Fachhochschule zugehörig). Als solcher hatte er Nestlé in Mexiko darin unterstützt, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Leistung der Milchzulieferer zu verbessern. Dass das Projekt namens RISE ein Erfolg wurde, lag laut Schoch insbesondere am steten und langfristig ausgerichteten Engagement des Nahrungsmittelkonzerns mit Sitz in Vevey. Dieser wurde in Bern durch Hans Jöhr vertreten, den weltweiten Chef des landwirtschaftlichen Dienstes (Head of Agriculture). Jöhr zeigte auf, warum und wie Nestlé rund um den Globus Nachhaltigkeitsbemühungen vorantreibt.
Zum Schluss referierte Fernando Cano, der Vertreter des Verbandes Consejo Regulador del Tequila in Europa mit Sitz in Genf. Die Tequilabranche droht zum Opfer des eigenen Erfolges zu werden, da der weltweit steigende Konsum zu einer zunehmenden Belastung der ökologischen Grundlagen wird. Denn als Produkt mit einer geschützten und geprüften Herkunftsbezeichnung darf Tequila darf nur in einem relativ kleinen Gebiet Mexikos hergestellt werden – und nirgendwo sonst.
Fernando Cano, Consejo Regulador del Tequila (Genf)