| LOCARNO 2014 |
Filmen mit weiblicher Hauptfigur
— von Isolde Erny © PuntoLatino —
Festival del Film – Locarno – 06-16 August 2014
Locarno ist den grössten Teil des Jahres eine kleine und sehr ruhige Stadt. Im Winter schliessen die Geschäfte Abends schon früh, die Gassen der Altstadt sind dann leer und klamm und die vielen Ferienwohnungen dunkel und verlassen. Während zehn Tagen im August aber füllt sich die Stadt mit tausenden kulturinteressierten Menschen, die bis spät Abends die Strassen bevölkern. Jeder Kinosaal, die Turnhallen, das Fussballfeld, ein überdimensionierter Kreisel und natürlich die Piazza Grande werden zu Schauplätzen des Festivals. Überall öffnen improvisierte Bars und Essensstände, die es nur während diesen ersten zwei Wochen im August gibt.
Das Programm des Festivals bot dieses Jahr eine erstaunliche Fülle an Filmen mit weiblicher Hauptfigur. Zusammengenommen zeigten diese eine faszinierende Auswahl an Charakteren und Lebensumständen. Darunter waren selbstbewusste, unbeirrbare Figuren, wie die Schiffsmechanikerin Alice in ‚Fidelio – L’odyssee d’Alice’ und die äthiopische Frauenrechts-Anwältin in ,Difret’. Die junge Vagabundin Mona, die in ‚Sans toit ni loi’ durchs winterliche Südfrankreich irrlichtert und auf eine rätselhafte und völlig kompromisslose Weise auf ihrer Freiheit beharrt. Andere wurden von den Umständen aufgerieben, blieben aber ausdauernd, wie die zwei Schwestern aus ‚Por aqui tudo bem’, die einen mühevollen Kampf für eine Existenz in Europa ausfechten. Oder Celestina, ein Dienstmädchen im Rom der Fünfzigerjahre in ‚Il sole negli occhi’, deren ländliche Herkunft und Naivität ihr viele herbe Rückschläge einbringen. Es gab auch einsame und verlorene Figuren, wie die chinesische Ling aus ‚Exit’. Und undurchschaubare, wie die 14-jährige Linda aus ‚Cure – the life of another’, die sich obsessiv mit dem Leben ihrer Freundin Eta beschäftigt. Oder die englischen Schwestern aus‚Les deux anlgaises et le continent’, die trotz ihrer strengen und rationalen Erziehung in eine ausweglose Dreiecksgeschichte mit einem jungen Franzosen geraten. Es liefen noch viele weitere Filme, die hier genannten spiegeln lediglich meine persönliche Auswahl wider. Einige davon sind schon älter, was aber nicht hiess, dass der Besucherandrang kleiner war. Und nicht alle wurden von Frauen gedreht. Die unterschiedlichen Entstehungsgeschichten tragen bei zur diesjährigen reichhaltigen und vielfältigen Übersicht von Lebensentwürfen aus Frauenperspektive.
Locarno, August 2014, Isolde Erny © PuntoLatino
Fotos:
1) De PuntoLatino en el Festival Internacinal de Cine de Locarno: Luis Vélez Serrano, Isolde Erny y Michèle Bigler
2) La directora del Festival «Filmar en América Latina» de Ginebra, Sara Cereguetti con Luis Vélez, Isolde Erny, Michèle Bigler, el director de « y su productor André Gevaerd.
2) Una de las mascotas frente a la «Stazione»