| CINE | LOCARNO 2014 |
Navajazo: ein überaus sehenswerter Film
— von Isolde Erny, © PuntoLatino —
Navajazo – Gewinner der Kategorie Cineasti del Presente, für Erst- und Zweitwerke.
Dir.: Ricardo Silva, Mexiko, 2014, 75′, Spanisch
Ein Film über Tijuana, eine für Drogen und Kriminalität berüchtigte Stadt an der Grenze zu den USA. In einer Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm werden einige Personen dokumentiert, die sich unter den widrigen Bedingungen irgendwie eingerichtet haben. Ein verlebter Musiker mit Totenkopfschminke, der selbstgedichtete Schnulzen über Familie, Liebe und Glaube singt, verschiedene Drogensüchtige, Prostituierte und Gestrandete. Und ein Pornoproduzent, der hofft einen Film, der neben Sex auch wahre Liebe zeigt, preiswert mit Darstellern aus Tijuana drehen zu können. Die Castinggespräche sind erhellend, zumindest fürs Publikum.
Interessant ist, dass die Charaktere manchmal ganz unverblümt Hinweise vom Kameramann erhalten, oder sich direkt an diesen wenden und etwas kommentieren. In der Diskussion nach dem Film gab der Regisseur an, dass sich die Leute vor der Kamera ohnehin nicht natürlich verhalten, sondern sich immer bewusst sind, gerade aufgenommen zu werden. Die in der Regel wohl eher unbewusste Interaktion zwischen Filmern und Gefilmten ist in diesem Film für das Publikum absichtlich sichtbar gemacht. Sie trägt auf eine erfrischende Weise zum Bild bei, dass man sich von den verschiedenen Charakteren machen kann. Ein überaus sehenswerter Film.
Locarno. August 2014. Isolde Erny, PuntoLatino