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Grüne Wirtschaft in der Schweiz?
— von Isolde Erny, ©PuntoLatino. Zürich, 13.11.2914. —
Swiss Green Economy Symposium – Führende Vertreter aus der Politik, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen diskutierten über Chancen und Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung durch Bundesrat Johann Schneider-Ammann.
Nachhaltige Entwicklung beinhaltet drei Schwerpunkte: Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft. Spannend wird es, wenn Vertreter dieser Pole zusammengebracht werden und in einer offenen Diskussion zu ihren Taten und Visionen Stellung nehmen. Der folgende Bericht gibt eine Auswahl der Aussagen vom Swiss Green Economy Symposium wieder.
Der heutige Ressourcenverbrauch ist langfristig zu hoch
Der Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Bruno Oberle, setzte den Rahmen der Veranstaltung. Die Weltbevölkerung verbraucht zu viel Ressourcen: anderthalb Erden wären nötig, um die Ressourcen zu regenerieren. Die Schweiz ist sogar noch schlimmer: wenn alle so leben würden wie wir, wären 3 Erden nötig. Thomas Vellacott, CEO von WWF erklärte das Problem folgendermassen: Bei einem Verbrauch von einer Erde würden wir von den Zinsen der Erde leben. Weil wir aber mehr brauchen, gehen wir ans ‚Kapital’ und machen ökologische Schulden.
Der Ressourcenverbrauch verschiedener Länder korreliert mit dem Wohlstandsniveau: je reicher ein Land ist, desto mehr verbraucht es. Naheliegenderweise möchte fast niemand auf Wohlstand verzichten, oder den derzeit armen Ländern einen steigenden Wohlstand verbieten. Aber die Verknappung von Ressourcen hat schon heute verheerende Folgen: so führt beispielsweise zunehmender Wassermangel dazu, dass trockene Regionen unbewohnbar werden, Seen und Flüsse versalzen und vertrocknen und es Konflikte um Zugang zu sauberem Wasser gibt.
Grüne Wirtschaft in der Schweiz?
Die drohende Ressourcenverknappung ist in der Schweiz und international ein Thema. In der Schweiz wurde 2012 die Volksinitiative Grüne Wirtschaft eingereicht mit dem Ziel, den Ressourcenverbrauch des Landes bis 2050 auf eine Erde zu reduzieren. Dieses Ziel ist laut Oberle zu ehrgeizig, die volkswirtschaftlichen Kosten wären zu hoch. Der Bundesrat überwies dem Parlament Anfang 2014 einen Vorschlag zur Revision des Umweltschutzgesetzes, der die Ziele der Initiative in abgeschwächter Form übernimmt.
Die Kosten für die Reduktion der Ressourcenverschwendung sind eine heikle Angelegenheit, denn es ist unwahrscheinlich, dieses Ziel mit den bislang vorherrschenden Produktions- und Geschäftsmodellen zu erreichen. Gemäss Andrea Hüsser von der Erklärung von Bern und Professorin Bettina Furrer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften müssen bestehende Wirtschaftsmodelle tiefgreifend verändert werden. Dazu brauche es viel Wissen und Transparenz über die gesamte Wirtschaftskette: ressourcen- und schadstoffintensive Prozesse und Produkte müssen identifiziert und neu konzipiert werden.
Das Umstellen bestehender Geschäftsmodelle ist teuer. Deshalb versuchen viele Unternehmen, sich einen grünen Anstrich zu geben, indem sie von ihrer Kommunikations- oder Marketingabteilung belanglosen Massnahmen zu wunderschönen Nachhaltigkeitsberichten verarbeiten lassen. Gegen die Schönheit solcher Berichte ist zwar nichts einzuwenden, aber gegen die mangelnde Transparenz: als Aussenstehender ist kaum zu erkennen, ob, und wie tiefgreifend etwas verändert wurde. Meistens gibt es keine oder unvollständigen Daten zur Herkunft der Rohstoffe und zu den Produktionsbedingungen der Bestandteile. [Foto: Isolde Erny, Redakteurin von PuntoLatino vor einem Spielautomaten der Stiftung
Praktischer Umweltschutz Schweiz (PUSCH). Das Ziel ist, Geld ressourcenschonend anzulegen].
Chance oder Bedrohung für Unternehmen?
Das Green Economy Symposium versammelte einige Firmen, die sich mit innovativen Beiträgen zur Nachhaltigkeit und mitunter auch einer Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen schon heute am Markt behaupten, oder sogar neue Geschäftsfelder eröffnen.
Ein Vertreter eines erfolgreichen neuen Wirtschaftszweigs war Renat Heuberger, CEO von South Pole Carbon, ein Unternehmen, welches vor allem Projekte zur Reduktion von Treibhausgasemissionen betreut. Patrick Camele, CEO von der SV Group lieferte ein Beispiel dafür, wie ein bestehendes Unternehmen konsequent zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit umgestellt werden kann. Zuerst erzielte man offenbar mit kosmetischen Massnahmen und grossartiger Kommunikation einen Marketingerfolg. Dann wurde die Firma aber Partner des WWF und begann, ihre Umweltauswirkungen gründlich zu durchleuchten und gezielt anzugehen. So schickten sie beispielsweise ihre Köche bei Hiltl in Kochkurse, um attraktive vegetarische Menüs anbieten zu können, die nicht nur überzeugte Vegetarier ansprechen. Die Umstellungen lohnten sich – die Firma gewinne nun etwa doppelt so viele Ausschreibungen wie vorher.
Weitere Firmen erzielen Erfolge mit Effizienzsteigerungen, die helfen, den Ressourcenverbrauch zu vermindern. Matthias Bölke, CEO von Schneider Electric Schweiz berichtete vom Internet der Dinge, der digitalen Steuerung von Geräten und Prozessen, um Energie zu sparen. Urs Schaeppi, CEO von Swisscom berichtete von der effizienteren Geräten und neuen Programmen für virtuelle Meetings.
Allerdings waren auch einige Firmen zugegen, die möglicherweise den Begriff Nachhaltigkeitsstrategie etwas überdehnten. So gab beispielsweise Roland Herb, CEO von Surface Solutions, Oerlikon an, dass die Firma ihre Oberflächenbeschichtungen kontinuierlich weiterentwickle und den in der EU seit über zehn Jahren verbotenen Inhaltsstoff Chrom VI nicht mehr verwende.
Andere Unternehmen äusserten grundsätzliche Bedenken gegenüber staatlicher Regulierung und einer zügigen Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit. Jörg Soler von der Lonza bezweifelte beispielweise, dass die Behörden das nötige Know-How hätten, um sinnvolle Vorschriften für hochkomplexe industrielle Anlagen festzulegen. Rolf Sonderegger von der Kistler Gruppe warnte, dass die Schweiz beim Versuch im Umweltschutz voranzugehen, die Unternehmen gegenüber der Konkurrenz im Umland benachteilige und dass international einheitliche Regelungen wichtig seien. Allerdings seien internationale Umweltschutzabkommen nur bedingt nützlich, da sie von verschiedenen Ländern unterschiedlich umgesetzt würden.
Die Rolle staatlicher Regulierung
Die Beispiele der Unternehmen zeigen die Schwierigkeiten des Ziels einer grünen Wirtschaft: Wie können tiefgreifende Veränderungen gefördert werden, ohne bestehende Unternehmen und Branchen zu gefährden? Und wie kann ein Kunde oder Geschäftspartner gute Lösungen von blendendem Marketing unterscheiden?
Thomas Zwiefelhofer, der stellvertretende Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein betonte die Notwendigkeit eines Dialoges zwischen Politik und Unternehmen und dessen positive Auswirkungen. Zu den Bemühungen der Liechtensteiner Regierung, ihre Ziele dem Volk und wirtschaftlichen Akteuren nahezubringen, gehöre unter anderem die staatliche Förderung von Beratung durch Experten.
Bastien Girod, Nationalrat und Vizepräsident der Grünen plädierte angesichts der Komplexität von Wirtschaftsketten für eine Lebenszyklus-Ansatz der Politik und ein Minimum an Bürokratie. Bei der Betrachtung des Lebenszyklus eines Produktes sei nicht nur die Betriebsphase relevant, sondern auch die Rohstoffbeschaffung und Produktion, die oft im Ausland stattfinden. Daher müsse man versuchen, alle Prozesse nachverfolgbar zu machen und die jeweiligen Umweltauswirkungen zu berechnen und zu steuern. Girod gab an, dass er in der Schweiz zwar viele gute Ideen sehe, dass aber insgesamt noch wenig gemacht werde und der ökologische Fussabdruck des Landes weiterhin schlecht sei. Das liege mit daran, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu einer substantiellen Reduktion des Fussabdruckes fehlten. Er sehe aber an Anlässen wie diesem Symposium, dass noch viel Erklärungs- und Überzeugungsarbeit nötig sei. Es gäbe oft Missverständnisse, obschon die Positionen gar nicht so weit voneinander entfernt seien.
Weiterführende Links zur Grünen Wirtschaft in der Schweiz und International
Kampagne der Grünen für die Grüne Wirtschaft in der Schweiz
http://www.gruene.ch/gruene/de/kampagnen/gruene_wirtschaft.html
Bundesamt für Umwelt (BAFU) – Grüne Wirtschaft in der Schweiz
http://www.bafu.admin.ch/wirtschaft/11350/index.html?lang=de
Europäische Umweltagentur EEA – Grüne Wirtschaft in der EU
http://www.eea.europa.eu/de/signale/signale-2014/artikel/uebergang-in-eine-gruene-wirtschaft
UNEP – United Nations Environment Programme – Grüne Wirtschaft weltweit
http://www.unep.org/greeneconomy/