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Lifefair- Lebensmittelknappheit, wie ernähren wir uns in Zukunft?
27. Nov 2014 – Bericht von Isolde Erny © PuntoLatino
Wie kann man eine wachsende Weltbevölkerung langfristig ernähren? Das Forum Lebensmittelknappheit widmete sich einem grossen Thema.
Nahrungsmittelproduktion steht vor grossen Herausforderungen
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion steht vor gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Problemen. Weltweit leiden gemäss der Food and Agriculture Oganization of the United Nations (FAO) 800 Millionen Menschen an chronischer Unterernährung. Vielerorts sind schon heute Land und Wasser knapp und natürliche Ökosysteme werden massiv unter Druck gesetzt. Schätzungsweise ein Drittel der produzierten Lebensmittel verderben irgendwo zwischen Feld und Teller und es werden immer mehr Anbauflächen zur Energieproduktion genutzt. Die steigende Nachfrage an Fleisch erhöht den Druck, da für jedes Kilo Fleisch mehr als 10 kg Getreide verbraucht werden. Trotz des dringenden Bedarfs an Nahrungsmitteln reichen die Einnahmen der Bauern in armen Ländern oft kaum zum Leben.
Diskussionsteilnehmer von links nach rechts: Markus Ritter, Christoph Mäder, Patrick Camele, Nadja Lang, Michel Rudin und der Moderator Dominique Reber (mit freundlicher Genehmigung vom Life Fair Team).
Was können Schweizer Konsumenten und Unternehmen tun?
Das Forum brachte Vertreter der Konsumenten, Landwirtschaft, Agrarindustrie und Verpflegung, sowie eine Nichtregierungsorganisation zusammen. Diese erklärten, was in der Verantwortung der jeweiligen Akteure liegt, um zu guten Produktionsbedingungen in der Schweiz, aber auch in den entfernten Herkunftsländern beitragen können. Da sich in der knappen Zeit keine wirkliche Diskussion entfalten konnte, gebe ich hier die verschiedenen Standpunkte wieder.
Gemäss Michel Rudin, Geschäftsführer des Konsumentenformums kf, müsste der Konsument lernen, wie Nahrungsmittel produziert werden, um gut produzierte Produkte wählen zu können. Er beobachtet eine Entfremdung des Konsumenten von der Produktion, die romantisch verklärt werde, während man sich der industriellen Prozesse nicht bewusst sei. Überspitzt gesagt stelle man sich unter Landwirtschaft einfach Heidi vor, die über die Wiese hüpft. Andererseits sei es aber auch schwer, den Überblick zu behalten, es gebe eine unübersichtliche Anzahl an Labels. Daher könne es helfen, regionale Produkte zu kaufen und sich lediglich über eine kleine Anzahl an Produzenten und Labels besser zu informieren.
Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbandes und Nationalrat wies auf die Produktionsbedingungen in der Schweiz hin, die im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen sehr unattraktiv seien. Daher es fehle es den Bauern an Nachwuchs und sie trügen gleichzeitig eine grosse Verantwortung: sie müssen den Boden für zukünftige Generationen fruchtbar halten und der Umwelt Sorge tragen. Die romantisierte Sicht der Konsumenten auf die Landwirtschaft begrüsse er allerdings, denn diese befriede die Sehnsüchte der verstädterten und gehetzten Menschen.
Christoph Mäder, Mitglied der Geschäftsleitung der Syngenta wies auf die Notwendigkeit von Produktivitätssteigerungen hin, um auch in Zukunft die Ernährung sicherstellen zu können. Die Verantwortung von Konzernen der Agrarindustrie sei es, nicht nur in den Ertrag weltweit einsetzbarer Pflanzensorten wie Mais und Soja zu investieren, sondern auch Technologien zu entwickeln, die Nischenprodukten und lokalen Märkten zugute kämen. Daneben könnten sie Vertriebssysteme für Kleinbauern aufbauen, damit diese Zugang zu Abnehmern fänden und investieren könnten.
Patrick Camele, CEO der SV Group gab an, dass der Beitrag eines Verpflegungsdienstleisters in der Beschaffung der Rohstoffe läge. Das Unternehmen müsse bereit sein, Mehrkosten zu tragen, um fair und nachhaltig produzierte Lebensmittel zu beschaffen. Zudem müsse die Verschwendung von Nahrungsmitteln (foodwaste) und der Fleischkonsum verringert werden.
Nadja Lang, Geschäftsführerin von Max Havelaar sprach von der Rolle der Zertifikation für fair gehandelte Produkte. Die Aufgabe von Max Havelaar sei, das Verständnis aller Akteure der Wertschöpfungskette zwischen Landwirtschaft und Konsument füreinander zu fördern. Primär versuchen sie, faire Beziehungen zu den Produzenten herzustellen, da diese am wenigsten von der Wertschöpfung profitierten.
Obschon die Handlungsoptionen sehr unterschiedlich sind, zeigen die verschiedenen Angaben, dass jeder Akteur eine Anstrengung auf sich nehmen muss, um sich zu informieren und Verhaltensweisen oder Abläufe zu verändern. Die Rolle von NGOs, die zwischen den Akteuren vermitteln und mittels Labels Standards etablieren, ist dabei sehr wichtig, denn sie können Veränderungen anstossen und begleiten. Allerdings besteht die Gefahr, dass bei einer grossen Zahl an Labels die Übersicht verlorengeht.
Ich schliesse daraus, dass man die breite Etablierung von fairen und nachhaltigen Produktionsbedingungen nicht allein der Aktivität von NGOs überlassen kann. Es braucht auch Normen, spätestens wenn durch das Wirken der NGOs eine genügend grosse Zahl an Konsumenten und Firmen die Berührungsängste vor Veränderungen verloren hat.
Weiterführende Informationen
Bericht zur Nahrungsunischerheit 2014 – Food and Agriculture Oganization of the United Nations
http://www.fao.org/publications/sofi/2014/es/