16lifefairforum22 panel521

| ECOLOGIA | LIFEFAIR FORUM |

Klimafreundlich investieren – Schritt für Schritt in Richtung Trendwende

Von Dr. Dorothea Baur @PuntoLatino, 15. April 2016

Das 22. Lifefair Forum, welches einmal mehr vor ausverkauften Rängen im Forum St. Peter stattfand, widmete sich der Frage „Klimafreundlich investieren. Exotische Nische oder profitabler Megatrend?“.

Mit Reto Ringger, Gründer und CEO der Globalance Bank, wurde ein Pionier als Keynote-Speaker gewonnen, der über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich nachhaltige Investitionen verfügt und unter anderem mitverantwortlich war für die Lancierung des Dow Jones Sustainability Index in den 1990er Jahren.

In seiner Keynote legte Ringger eindrücklich die vielfältigen Folgen des Klimawandels dar – angefangen mit extremen Wetterereignissen wie

Eisschmelze und Dürreperioden, bis hin zur direkten Bedrohung der globalen Sicherheit durch prekäre Ernährungssicherheit, Wassermangel und Epidemien.

Der riesige Impact des Klimawandels steht im Widerspruch zu seiner eher dürftigen Thematisierung durch die Medien. Damit ein ‚Tipping Point’ in der Diskussion erreicht werden kann und eine breite Bewegung entsteht, die sich für nachhaltige Investitionen einsetzt, braucht es gemäss Ringger ‚early movers’, welchen es gelingt immer mehr Followers anzuziehen.

In Bezug auf nachhaltige Investitionen gibt es nun Anzeichen, dass der Tipping Point bald erreicht ist: Obwohl 80% der Energie weltweit durch fossile Brennstoffe erzeugt werden und obwohl fossile Energien viel stärker subventioniert werden als erneuerbare, übertreffen gemäss Ringger die Investitionen in erneuerbare Energien diejenigen in fossile Energien mittlerweile weltweit. Nicht zu unterschätzen ist ausserdem der Effekt, den gewichtige Akteure wie der Norwegische Staatsfonds und jüngst auch der Rockefeller Family Fund, die sich zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bekannt haben, auf andere Investoren haben.

Auf dem anschliessenden Podium kamen Vertreterinnen und Vertreter von Banken (Dr. Nannette Hechler-Fayd’herbe, Head Investment Strategy, CS Group Stiftungsratsmitglied Pensionskasse), Pensionskassen (Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP), Nachhaltigkeits-Ratingagenturen (Christoph Müller, VR-Präsident von Inrate), sowie NGOs (Britta Rendlen, Head Sustainable Finance, WWF Schweiz) zu Wort.

 

Die Rolle von Banken und Pensionskassen

Christoph Müller von Inrate attestierte insbesondere der Finanzwelt ein verzerrtes Selbstverständnis, wenn sie sich als Vorreiter betrachte. Es bestehe durchaus Interesse an nachhaltigen Investments unter den Kunden, aber die Banken hinken hinterher – es fehle insbesondere an Innovation auf Produktebene, an Erfahrung und an klaren Leaders.

Nannette Hechler-Fayd’herbe von der CS gab zu, dass tatsächlich noch Aufholbedarf bestehe bei der Ausbildung von Experten und bei der Zusammenstellung von Daten. Erst wenn diese Lücken geschlossen seien, könne die Nachfrage auf dem kleinen, aber wachsenden Green Bonds-Anlagemarkt bedient werden. Hechler-Fayd’herbe sieht für die Schweizer Finanzintermediäre eine Chance, sich in diesem Bereich als seriöse Anbieter zu profilieren.

Britta Rendlen vom WWF Schweiz lenkte den Fokus auf die Rolle der Pensionskassen, denen sie mangelnde Offenheit gegenüber nachhaltigen Investitionen vorwarf. Das fehlende Engagement von Pensionskassen ist gemäss Rendlen gerade deshalb so bedauerlich, weil Pensionskassen in der Schweiz die grössten ‚Asset Owners’ sind und ein Wertewandel unter ihnen dazu führen würde, dass der von Ringger erwähnte Tipping Point deutlich schneller erreicht würde.

Hanspeter Konrad vom Schweizerischen Pensionskassenverband verteidigte sich und betonte, dass Aufklärungsarbeit geleistet werde unter den Mitgliedern zum Beispiel in Form von Workshops zum Thema. Die grosse Herausforderung für Pensionskassen bestehe jedoch darin, dass sie bei moderaten Risiken maximale Renditen erzielen müssen und dass noch nicht klar sei, ob Investitionen in die ‚green economy’ diese Renditen auch liefern.

Für Ringger steht ausserdem insbesondere die Quartalsorientierung der Pensionskassen bei der Analyse ihrer Resultate im Widerspruch zum langfristigen Investitionshorizont, der bei Klima-Themen geboten ist.

 

Was motiviert „grüne Investoren“?

Christoph Müller, VR-Präsident von Inrate, unterscheidet zwei Motivationen: zum einen geht es bei nachhaltigen Investments um die Hoffnung, durch den Einbezug von nicht-finanziellen Überlegungen die Risiken von Aktien-Portfolios zu begrenzen. Allerdings werde diese Hoffnung bisweilen durch Überreaktionen der Märkte zerstört. So gewannen zum Beispiel in Deutschland Kohlekraftwerke gerade wegen ihres hohen Risikos an Attraktivität für gewisse Anleger.

Zum anderen geht es tatsächlich auch um Wertfragen: stimmt eine Investition mit den Werten der Investoren überein? Will ein Asset Owner beispielsweise ein Unternehmen mit Kinderarbeit in seiner Lieferkette unterstützen? Die grosse Herausforderung besteht gemäss Müller darin, dass jeder, der aktive Anlage-Entscheide trifft, das Risiko in Kauf nehmen muss, dass sich die Entwicklung seiner Vermögenswerte nicht mit der allgemeinen Marktabwicklung deckt. Ein Investor, der wertbewusst investiert, muss bereit sein diese Abweichung, ob positiv oder negativ, zu tragen.

 

Was meint das Publikum?

Bei der abschliessenden Fragerunde unter Einbezug des Publikums wurde insbesondere die CS mit der Frage, wie ihre massiven Investitionen in Kohle unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu rechtfertigen seien, herausgefordert. Hechler-Fayd’herbe verteidigte diese Strategie mit dem Hinweis, dass nach wie vor 40% der Energie weltweit durch Kohle erzeugt wird, und dass Kohle gerade für die wirtschaftliche Entwicklung in Schwellenländern eine wichtige Rolle spielt. Die CS hat ausserdem klare, von UNO und Weltbank abgeleitete, sektorspezifische Richtlinien in ihren Investitionen und verfolgt einen Best-in-class-Ansatz.

Abschliessend gab Rendlen vom WWF zu bedenken, dass es bei der Diskussion um nachhaltige Investitionen nicht nur um Risiken gehen sollte, sondern dass gerade der Klimawandel auch Opportunitäten für Investoren mit sich bringt. Damit diese allerdings erkannt werden, braucht es eine transparente und verlässliche Information und idealerweise Standards für nachhaltige Investmentvehikel. Für diese setzt sich der WWF ein. Darüberhinaus muss man auch über regulatorische Möglichkeiten nachdenken – so sollte die Treuepflicht von Pensionskassen sich auch auf die Berücksichtigung von Klimarisiken erstrecken. Sekundiert wurde Rendlen von Müller, der sich für eine CO2-Steuer aussprach.

 

„Wir alle sind Investoren“

Lifefair gelang es auch in seinem 22. Forum eine angeregte, hochkarätig besetzte Diskussionsrunde zu einem brandaktuellen jedoch sehr anspruchsvollen Thema zu organisieren. Während niemand die Bedeutung von nachhaltigen Investitionen bei der Bekämpfung des Klimawandels bestritt, herrschte Uneinigkeit darüber, ob nun die Banken oder Pensionskassen verantwortlich dafür sind, dass nachhaltiges Investieren noch kein Megatrend geworden ist, und ob freiwillige Standards ausreichen, um die Entwicklung zu beschleunigen. Wie Ringger abschliessend bemerkte, sind wir aber letztlich alle Investoren, ob direkt oder indirekt, und als solche haben wir die Chance, dafür zu sorgen, dass klimafreundliche Investitionen vorangetrieben werden – sei es durch unsere eigenen Anlageentscheide, oder durch einen Aufruf an den Verwalter unserer Pensionskasse.

 

→ Artículo de Claudia Gafner-Rojas también sobre este evento, VER …

→ Programa e información sobre el 22 Lifefair Forum en PuntoLatino, VER …

 

 

 

16lifefairforum publico521

 

16lifefair22 kuno pl521

Claudia Gaffner-Rojas (PuntoLatino), Kuno Spirig (CEO Lifefair Forum), Brita Rendler (WWF Schweiz) und Dorothea Baur (PuntoLatino)

 


 

Compartir en redes:

Menú